Ich kann es kaum glauben, dass der letzte Eintrag schon fast zwölf Wochen her ist. Eigentlich wollten wir regelmäßiger berichten – doch das Leben hatte andere Pläne. Deshalb wird dieser Beitrag nun etwas länger. In den kommenden Wochen versuchen wir aber, wieder öfter Updates zu schreiben – hoffentlich!

Oft muss ich in den Kalender schauen, um die Reihenfolge der Ereignisse nicht zu vergessen. Und davon gab es in den letzten Wochen wirklich viele. Genug für zwanzig Einträge, aber so ausführlich möchte ich gar nicht werden. Vieles wünscht man sich nicht noch einmal durchzuleben. Ich wünschte, Mali und wir hätten es gar nicht erst erleben müssen.

Juni: ein bisschen Normalität

Der Juni war zwar turbulent, aber noch einigermaßen normal. Wir konnten viele Dinge regeln, zum Beispiel die Integrationshilfe für Mali in der Kita. Dafür gab es eine ärztliche und psychologische Begutachtung. Wir sind sehr dankbar, dass Mali diese Unterstützung bekommen kann. Sie war schon vor ihrer Diagnose einige Monate in der Krippe, und die Leitung der Einrichtung hatte uns auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht und gleich den Antrag mitgegeben.

Ein besonderes Highlight war die Dreamnight. Habt ihr schon einmal davon gehört? Zoos öffnen an einem Abend exklusiv für kranke Kinder und ihre Familien. Es gibt Führungen, die Kinder dürfen Tiere füttern, und zum Abschluss ein gemeinsames Essen. Letztes Jahr war Mali noch zu schwach dafür, aber dieses Jahr konnten wir teilnehmen und es war wundervoll. Ich bin zwar kein großer Fan von Zoos, doch die letzten 18 Monate waren Tierparks unsere Rettung: Spielplätze, Schwimmbäder, Treffen mit anderen Kindern, Einkaufen…all das war nicht möglich. Tierparks hingegen schon. Und die Dreamnight war einfach einzigartig: so herzlich, so liebevoll organisiert, so besonders. Zum ersten Mal seit Langem hatte ich das Gefühl: es geht nur um die Kinder. Um uns.

Nebenher gab es natürlich die üblichen Termine in der Onkologie-Ambulanz. Doch wir nutzten auch das schöne Wetter und konnten Malis alte Krippengruppe besuchen, jeden Tag ein bisschen. Das war sehr schön, aber auch emotional. Mali war noch nicht wirklich fit: das Laufen fiel ihr schwer, und sie war schnell müde.

Der schwerste Tag seit der Diagnose

Nach fast zwei Wochen Klinikaufenthalt, Mali hatte einen neuen Block der Immuntherapie hinter sich gebracht, freuten wir uns sehr auf die Entlassung. Doch kaum waren wir zu Hause, bekam Mali Fieber.
Fieber bedeutet für uns Panik: Taschen packen, sofort ins Krankenhaus. Wegen des Ports und des geschwächten Immunsystems muss immer eine Blutvergiftung ausgeschlossen werden. Dieses ständige Auf und Ab kennen wir seit dem Beginn unserer Reise – damals war es das Tumorfieber.

Zunächst sah alles harmlos aus: im Blut fand man nichts, ein bisschen Husten, etwas Müdigkeit. Doch eine Woche später lag Mali morgens neben mir, schweißgebadet und schläfrig. Plötzlich schrie sie, riss die Augen auf und war weg. Nicht mehr ansprechbar. Ich rief sofort den Notarzt. Diese Minuten bis sie kamen, fühlten sich wie eine Ewigkeit an. Ich dachte, Mali stirbt.

Der Rettungssanitäter wollte einen Hubschrauber rufen, so ernst war die Lage. Ich hoffte nur, dass sie wieder meine Hand nimmt und mit mir spricht. Nach einer halben Stunde war sie wieder ansprechbar, doch auf der Intensivstation folgte der nächste Schock: Krampfanfälle. 40–50 Stück an einem Tag.

Das war der schlimmste Tag seit der Diagnose.
Es folgten unzählige Untersuchungen, Verdachtsdiagnosen, die sich zum Glück nicht bestätigten – eine eindeutige Ursache fand man nicht. Aber klar war: Malis Körper war nach 17 Monaten Dauertherapie am Ende seiner Kräfte. Und für uns bedeutete das: die Therapie ist abgeschlossen.

Erleichterung, Angst und neue Schritte

Wieder zu Hause spürten wir gleichzeitig Erleichterung, große Angst und Unsicherheit. Der Druck, Mali alle drei Wochen fiti genug für die nächste Therapie zu bekommen, war weg. Die Bildgebung zeigte: Mali ist weiterhin in Remission.

Seitdem erholt sie sich sichtbar: sie hat zugenommen, kann wieder schneller laufen und sogar selbst aufs Sofa klettern. In den nächsten Wochen folgen noch Abschlussuntersuchungen, und dann steht auch die erste Impfung bevor.

Die Zwischenzeit füllen wir mit Kita-Eingewöhnung, meiner Wiedereingliederung in der Arbeit und weiteren Vorsorge- und Nachsorgeterminen. Außerdem waren wir im Landeszentrum für Hörgeschädigte (LBZH) in Osnabrück. Durch die Cisplatin-Chemotherapie hat Mali einen bleibenden Hörverlust und braucht Hörgeräte. Das Einstellen bei einem Kleinkind ist sehr schwierig, aber auch extrem wichtig für ihre Entwicklung.

Eine große Entlastung: die Hörfrühförderung des LBZH. Experten begleiten uns regelmäßig, beraten, unterstützen und schauen auch in der Kita nach Möglichkeiten. Für mich ist das eine riesige Erleichterung, weil ich die Verantwortung nicht allein tragen muss. Es fühlt sich an wie ein wichtiger Schritt nach vorn.

Malis „erste Male“

Mali freut sich morgens sehr auf den Kindergarten. Jens macht die Eingewöhnung, während ich wieder in den Job zurückkehre. Für mich sind diese Tage sehr emotional: so viele erste Male.

Nicht nur das erste Mal Kindergarten, auch viele andere kleine Dinge, die für uns so groß sind:
das erste Mal wieder Sand spielen, die ersten Kindergeburtstage, das erste Schokoladeneis (das sie nun fast täglich genießt, nachdem es letztes Jahr wegen Salmonellengefahr und fehlendem Immunsystem tabu war). Sie liebt es, endlich wieder Bus zu fahren. Und sie freut sich riesig über ihre Haare, die langsam nachwachsen.

Besonders in Erinnerung bleibt mir der Moment, als Mali mir ein Armband bastelte und schenkte. Ich musste mir die Tränen unterdrücken vor Freude, aber auch aus Angst, dass wir uns an diesen Alltag gewöhnen und der Krebs uns alles wieder entreißt.

Es ist ein ständiger Spagat: die guten Momente annehmen und genießen und gleichzeitig mit Wehmut und Angst zu leben.

Alltag, Arbeit und Dankbarkeit

Die Rückkehr in den Alltag fühlt sich unglaublich befreiend an. Nach 1,5 Jahren Isolation wieder Arbeit, Kindergarten, Routinen, das ist ein großes Geschenk. Aber es bleibt emotional: Mali ist schneller erschöpft, braucht Pausen. Man versucht vorsichtig, ins normale Leben zurückzufinden, während die Onkologie und ihre Erinnerungen immer präsent bleiben.

Wenn ihr also wenig von uns hört, dann liegt es daran, dass wir entweder im Termin-Marathon sind oder gerade das „normale Leben“ neu lernen.

Zum Schluss möchte ich einfach noch Danke sagen. An alle, die uns mit ihren Worten unterstützen. Manchmal ist es nur ein kurzer Satz wie „Ich denk an dich“ für uns bedeutet es: gesehen zu werden. Und das trägt uns durch diese Zeit.

Bitte drückt uns die Daumen, dass wir noch ein wenig Alltag genießen können, bevor die Abschlussuntersuchungen starten und die erste Impfung beginnt. Davon werden wir natürlich berichten.

Bleibt gesund und genießt den Sommer, unbedingt!

Nadja

Über den Autor

Mama von Mali

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